Donnerstag, 21. Oktober 2010

So viele Kirchen...

 Diesmal nicht ganz ohne Worte und auch nicht ausschließlich Kirchen. Gestern konnte ich es mir bei strahlendem Sonnenschein nicht nehmen lassen, nach den Veranstaltungen erstmal auf Photo-Tour zu gehen. Auch wenn es unsinnig erscheinen mag, jetzt noch mit der Hundert-Euro-Schnappschusskamera auf die Pirsch zu gehen, wo ja bald die DSLT anrückt, so nennt das Wort "Pirsch" doch den entscheidenden Vorteil: sie ist klein. Oft ist das Photographieren verboten oder stört die Betenden, daher ist eine unauffällige, diskrete und leise Kamera ganz gut. Und da sie so eingschränkte manuelle Möglichkeiten besitzt, ist es für mich auch einfacher zu wissen, was ich tue :)
 Meine heutige Photostrecke umfasst ein kleines (ich glaube baptistisches) Kirchlein, das ich regelmäßig von unserem Seminarraum im Centre for Family Research aus sehen kann, die Universitätskirche Church of St Mary the Great und die College-Kapelle von St Johns, dem reichsten College hier in Cambridge. Und das will was heißen...
 Nur ein Bild von der bescheidenen Baptisten-Kirche, welche mir wegen ihres bezaubernd verzierten offenen Dachstuhls gefallen hat. Je mehr Kirchen ich in England sehe, desto mehr fällt mir auf, dass Holz eine häufige Wahl als Gewölbe-, Deckenverkleidungs- oder schlichtweg Dachstuhlmaterial darstellt, v.a. in kleineren Kirchen. Habt ihr Briten nicht genug Steinbrüche, oder was?


  Die Universitätskirche gleicht mit ihren ganzen Zinnen und dem abgesägten Turmhelm mehr einer Burg zur Verteidigung, als einem Sakralbau für Gebet und Zeremonie...








 Der Höhepunkt war natürlich die Kapelle von St Johns. Überraschend war, dass der Turm nicht etwa ein Vierungsturm wie so oft in England ist, sonder ein Westeinturm über einem T-förmigen Grundriss. Ihr Interieur wirkte auf mich wie eine britische Version der Sainte-Chapelle in Paris, die ich nächstes Jahr hoffentlich mit eigenen Augen sehen darf, wenn ich Lilly besuchen fahre :)

  Die Kapelle schafft es, einen sofort in ihrer sakralen Stimmung einzufangen. Ich liebe es, wenn Kirchen das schaffen. Man spürt, dass sie reich ist, aber der Reichtum drängt sich einem nicht auf. Die Formen sind beeindruckend, aber nicht erschlagend. Das Licht ist perfekt, nicht zum Photographieren, aber zum Beten und zur-Ruhe-Kommen. Man muss ja, wenn man nicht Mitglied von St Johns ist, dieses College hassen, doch eins muss man ihnen lassen: ihre Kapelle rockt. Und nicht nur die, wie ihr sehen werdet.






 Das College hat zu und in allem Über- fluss einen ausge- dehnten Park mitten in der Innen- stadt. Mehrere, um genau zu sein. Doch natürlich ist es bei Todesstrafe verboten, das Grün zu betreten. Dieses erste Bild erinnert mich an die Photos meiner Tante aus ihrem Türkeiurlaub, nur dass der Herbst und die Abendsonne das ganze paradoxer Weise wärmer wirken lassen, obwohl ein kalter Wind meine Hände blutig geschunden hat...

  Einem Palast gleich erhebt sich am Ufer der Cam ein Teil der Wohn- anlage von St Johns. Ginge man in diesem Komplex von uns aus gesehen nach rechts, überquerte man das feine Flüsschen über die Seufzerbrücke, von der ich ein Bild im Eintrag über das Punting veröffentlich habe.


 Durch das Portal in der Mitte gelangt man in eine Art Kreuzgang, der durch sein schönes, wenn auch etwas heruntergekommenes Sterngewölbe eine kleine Sehenswürdigkeit für sich ist. In den Schatten gestellt wird dieser jedoch durch das Fächergewölbe mit mittigem Hänger (sorry, eine bessere Übersetzung habe ich für pendant fan vault nicht gefunden). Ein wunderschönes Beispiel für ein Fächergewölbe ohne hängenden Schlussstein ist jenes über dem Eingang des Colleges, welches mir beim Betreten des Geländes gar nicht aufgefallen ist. Vermutlich war ich zu sehr damit beschäftigt, wie ein Student von St Johns auszusehen :) Obwohl der kostenlose Zutritt allen Studenten der Universität gewährt wird, fühle ich mich doch jedes Mal, wenn ich ein anderes College betrete, als stünde "Tourist" auf meiner Stirn...




  Ein letztes Bild und dann seid ihr durch. Diesmal sogar mit Menschen drauf! Jedoch ein Anblick, der wohl in kaum einer anderen Stadt, als in Cambridge üblich sein dürfte...holt eure Zauberstäbe raus ;) ach übrigens, wenn Briten in eurem Beisein über Harry Potter reden, tut so, als wärt ihr ebenso fanatisch begeistert (npi), denn sie sind es indeed! Der enttäuschte Blick auf meine Antwort, dass ich kaum ein Wort von dem, was gerade gesprochen wurde, verstanden hätte, war jener eines sechsjährigen Buben, der zu Weihnachten nicht die ersehnte wii bekommen hat. Mit dem Unterschied, dass der Bub in meinem Fall achtzehn war und daher auch einiges an Ekel in den Blick zu legen vermochte.
 Ich bin abgeschwiffen.  
Harry Potter in den Straßen meiner Stadt 
- das neue Buch von Thomas Czikmantori.

Slut.

Dienstag, 19. Oktober 2010

The Gras is Always Greener on the Other Side...

...except when you're in England.
 Nach dem Motto "grüner wird's nimmer" gaben wir gestern ordentlich Gas und katapultierten uns mit diesem Satz auf das Niveau von Possenreißern wie Taff, Bild und den RTL2-Nachrichten. Ebenso in die gleiche Liga, wie deren Konsumenten: Denn wer denkt, dass Cambridge nur aus Spießern besteht, die in dunklen Roben nach lateinischem Gebet mit zwölf verschiedenen Bestecken essen (und dabei den Finger abspreizen), hat zwar recht, vergisst aber, dass eben diese Menschen auch zu Orgien fähig sind, die jenen gleichen, wegen derer die Deutschen auf Mallorca so beliebt sind. Das englische Äquivalent (zumindest in Cambridge) scheint jedenfalls der Besuch eines indischen Restaurants zu sein, Mahal. Verzeihung: der verkleidete Besuch. Einen Vorgeschmack auf mein Outfit hatte ich ja schon gegeben. Das Motto war übrigens "Anything but Clothes". Das Oberbekleidungsmaterial meiner Wahl waren "Sainsbury's DIY Sacks - For Heavy Duty" und Heavy Duty indeed, wie das Vorher-Nachher-Photo belegt:
Und scheint es nicht schicksalhaft, dass die Tüten "Do It Yourself" im Namen tragen?
 Es war einer der besten Abende bisher! In vino veritas, denn nicht nur, dass er im Restaurant £5 pro Flasche kostete und man auch selber welchen mitbringen durfte, nein, auch das Trinkspiel "Safe the Queen" sorgte für eine Schwindel erregende Trinkgeschwindeligkeit. Immer wenn ein Penny (auf der Rückseite ist die Queen drauf) in einem Glas landete, musste es geext werden. War das Glas beim Münzeinwurf leer, musste man es bis oben hin füllen, bevor man es wieder austrank. Eine intelligente Nachfüllpolitik war daher der Schlüssel zur Sicherung des eigenen Überlebens. Zudem konnte jeder am Tisch (also 55 Ruderer und Innen) jederzeit aufstehen und eine "Gerneral Fine" aussprechen, welche jeden zum Trinken zwang, welcher den ausgesprochenen Bußgrund erfüllte. So standen die meisten auf und tranken, als eine General Fine für alle 1990 oder später Geborenen erhoben wurde; ich blieb einsam und verbraucht sitzen.
 Die Fülle an Trinkspielen und anderen Absurditäten war grenzenlos, daher führe ich nur noch ein Beispiel an, welches die britische Kreativität, doch auch Dekadenz illustrieren soll: Das Spiel trug den Namen "Zieh-schnell-einen-Schuh-aus-und-setz-ihn-dir-auf-den-Kopf,-sonst-musst-du-aus-selbigem-trinken!". Das war, wie ihr euch vorstellen könnt, meine Lieblingsdisziplin, da ich erst den DIY-Sack von meinem Fuß reißen musste, die Schnürsenkel hektisch auffieseln und dann unter dem Tisch hervorkriechend (wir saßen sehr eng, wie die folgenden Photos noch zeigen werden) den Schuh einer kostbaren Trophäe gleich auf dem Kopf präsentieren musste. Auf Deutsch kann man so schöne lange Sätze bilden... :) Bilder, là!


Wer zuletzt die Hände an der Wand (oder an der Decke) hat, muss trinken. Die Inder antworteten mit Besen.

Es gab so viel zu trinken, dennoch waren manche um jeden Tropfen verzweifelt bemüht.

"General Fine, if you'd rather be Oxford than St. Johns" (= reichstes College) Und dann beginnen zwei Tische der eigentlich gleichen Universität gegeneinander zu singen...im falschen Stolz macht selbst der Tor dem klugen Mann nichts vor.
Das Essen war lecker, es gab diese frittierte Vorspeise mit svariaten Chutneys und danach einen Hauptgang. Leider habe ich keine Ahnung von indischem Essen, daher bestellte ich "something vegetarian and not too hot, please". Seltsam, dass in dem Restaurant eines Landes, in dem nach meinem Wissen die meisten Vegetarier leben (waren es nicht sogar um die 40 Prozent?), fast nur Gerichte mit Fleisch gereicht werden? Chicken Tandoori hier, Lamb Vindalho da. Vermutlich ist das nur wieder eine verzerrte Auswahl für die europäischen Konsumenten...die Briten essen so viel Fleisch!

 Ich hatte zum Glück einen kompetenten Tischnachbarn, der mich mit seinem Wissen durch den Abend gebracht hat. Britische Trinkspiele und Regeln, Tips bei indischem Essen. Ich habe natürlich seinen Namen vergessen, obwohl ich ihn an diesem Abend nicht zum ersten Mal getroffen habe. Er studiert Mathematik und ist halb Sri Lankanese, geht Rudern, spielt Badminton und Ultimate Frisbee, die Schuhgröße seiner Mutter ist eine britische 8, aber der Name?
nice crotch. fits the mask.
Schließlich suchten wir noch die College-Bar heim 
Und ich fühlte betrunken mich wie drei Uhr morgens, 
Als ich um halb zwölf noch am selben Tag zu Bette ging.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Delikat Essen

Gestern habe ich Bekanntschaft mit einer englischen Delikatesse gemacht. Ohne es zu wissen. Ich ging davon aus, dass "Soft Cod Roes" eine Fischsorte ist oder zumindest der weiche Teil einer Fischsorte. Nun, ganz streng genommen stimmt das sogar, aber dazu später mehr. Ich nahm also diese Dose und öffnete sie fachgerecht. Der Anblick war überraschend, da ich mit zarten Fischfilets in eigenem Saft gerechnet hatte. Stattdessen erwartete mich dies:

Jetzt hatte ich schon dafür gezahlt und Hunger hatte ich auch, es roch nach Fisch und giftig würde es schon nicht sein, daher kostete ich einen Bissen. Der Geschmack war gar nicht so übel, aber die Konsistenz war wiederlich; ähnlich wie das Hühnerhirn in der rumänischen Sauerkrautsuppe, als ich noch ein Kind war. Also: Was sind "Soft Cod Roes"? Ich machte den Fehler, sie zuerst zu kosten und dann zu recherchieren. Delikat gesagt ist es die männliche Version von Kaviar, mit den Worten von Rammstein ist es "Fischmilch" und der erste Gedanke, den man hat, nachdem man gerade von dieser Köstlichkeit genascht hat, ist "in my stomach now resides a fishy cumshot without disguise". Sperma.

An jenem Abend jedoch sollte sich mein kulinarisches Schicksal wenden. Um 702pm schrieb mir meine studentische Mutter Grace an die Pinnwand, um 730pm fände ein Familien-Dinner in ihrer Wohnung statt. Um 715pm las ich die Nachricht. Ich hatte nicht wirklich Lust. Und Hunger auch nicht. Um 722pm klopfte es an meiner Tür. Ein unbekanntes Mädchen sagte mir, sie sei von Grace geschickt worden mich zu informieren, dass um 730pm das Familien-Dinner in Graces Wohnung stattfände. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits Zähne geputzt und meine Kleidung für den Abend auf das Bett gelegt. Ich schloss die Tür und begann mich umzuziehen. Um 723pm klopfte es an meiner Tür. Ich öffnete rasch die Tür - ohne zu bedenken, dass ich halbnackt war. Ein mir bekanntes Mädchen, das eine ungewohnt irritierte Miene pflegte, sagte mir, sie sei von Grace geschickt worden mich zu informieren, dass um 730pm das Familien-Dinner in Graces Wohnung stattfände. Ich zählte ihre Blicke. Belustigt schloss ich dir Tür, machte mich weiter fertig für den Abend. Lisanne und ich waren um 745pm in Graces Wohnung, wo wir mit Weißwein empfangen wurden. Nach einer kleinen Aperitif-Runde ging es ans Buffet. Es war das beste Essen seit meiner Ankunft in Cambridge und dies ist keine leichtfertige Aussage. Als Beleg kann ich quantitative Daten anführen: 3 vollgepackte Teller, obwohl ich keinen Hunger hatte. Einen Beispielteller finden Sie in Abb. 1.

Abb. 1: Yummy.

Ich nehme an, das Essen sieht nicht ganz so gut aus, wie es geschmeckt hat, aber zu sehen sind Couscous mit gebratenem Gemüse, ein Zucchinensalat mit Feta und Oliven, gekochte Kartoffeln mit Rahm, raffinierte Tomaten-Blätterteig-Törtchen und schließlich ein Salat aus Spinat, Rosinen und Speck an einer Balsamico-Crème. Ihr wisst, ich mag keinen Speck, aber dieser Salat war einfach das Beste! Hab mir das Rezept geben lassen :) Das Dinner mundete den Mündern und mündete in ausgelassenes Trinken und Schwätzen, nachdem das stille Schmatzen in seiner Konversationslosigkeit den Meisterköchen seinen Dank aussprach.

Heute Abend geht das Dinnieren und Feiern weiter, der SCCBC-Mahal steht an. St Catherine's College Boat Club. Das Motto dürft ihr anhand dieses kontrastreichen Bildes, auf dem jedoch nur meine Kopfbedeckung zu sehen ist, erraten. Ein Tipp: Es geht um das Material.