Dienstag, 21. Dezember 2010

Im Verzug

"Und einmal mehr entsteht ein Blogeintrag im Zug, wobei das nach zwei Stunden Schlaf und mit der tief stehenden Sonne in den Augen vielleicht nicht die beste Idee sein mag. Es soll um Dublin gehen, um Ely und um Trier. Ich werde mir, was Photos angeht, ein paar Borgungen erlauben müssen, da ich mit einem halbleeren Akku, aber ohne Ladegerät, nach Irland aufgebrochen bin. Wohl das Ergebnis der hastigen Packaktion um 5 Uhr morgens. Nach einer durchzechten Party-Nacht. Die Grenzen wurden ausgetestet und erfolgreich gedehnt. Und immer wieder muss ich denken: Wenn du mal ein Kind haben wirst, wird es krasser. Das Leben eines postmodernen Schurken wie Thomas Czikmantori ist nun mal ein anstrengendes :)
 Dublin begann eigentlich schon Mittwoch, als Wilhelm vor der Corpus Clock im Burst-Mode mir mit sieben Bildern pro Sekunde die Seele stahl, oder zumindest 8 Millionstel davon. Die Photos dokumentieren eine authentische Out-of-Bed-Frisur, die dadurch zustande kam, dass ich nach einer regelrecht insomniösen Nacht das Mittagsschläfchen etwas zu nötig hatte und über meine Mittagspause hinaus und durch meine komplette letzte Vorlesung in Gender Developement geschlafen habe. Nachdem wir Willes Sachen bei mir abgelegt hatten, ging natürlich sofort das Sight-Seeing los, Wilhelm zeigte mir alles Sehenswerte an seiner nur wenige Tage alten Sony a33, der kleinen Schwester jener Kamera, die ich mir bald zulegen werde."

 So weit bin ich im 96 Minuten verspäteten IC nach Mannheim gekommen, bevor ich in den 93 Minuten verspäteten IC nach München umsteigen musste. Entscheidungen wurden gefällt; in diesem Eintrag nur über Cambridge und Dublin, im nächsten dann über Ely und im übernächsten über Trier. Sonst verlöre dieser Eintrag gänzlich seine Identität und bliebe in jedem Falle zu oberflächlich.

 Jedenfalls: Wille war da und wir holten erstmal nur das Beisammensein nach, auf das wir lange genug verzichten mussten. Nichts da von Kleinjuwelen spätgothischer Sakralarchitektur. Im Allgemeinen hat der gute Wille nicht viel von der Stadt gesehen, das wird vielleicht bei seinem nächsten Besuch nachgeholt. Wir glühten gemeinsam vor, ich wollte ihm die legendäre Mittwoch-Nacht im Cindie's zeigen, welche noch umso legendärer werden würde, da es die letzte des Terms sein würde. Um halb elf rissen wir uns von meinem winzigen Zimmer los, gerade rechtzeitig um die Letzten in einer unendlich langen Schlange (in der sich bereits multiple Mädels immerhin mit einer gewissen Grazie übergaben) vor dem Eingang des begehrten Clubs zu sein. Das lange Anstehen kollidierte auch insoweit mit meinen Interessen, da ich spätestens um eins im Bett sein wollte, um am nächsten Morgen "fit" für Fairbairnes zu sein, dem wichtigsten Bootsrennen im ersten Term. Es half alles nichts, wir blieben draußen. Eine rettende Sms von Haile lud uns zum schottischen Ceilidh-Tanz (http://www.youtube.com/watch?v=iXmnP38EAow) in den besetzten Old School Room ein und wir folgten ihrem Ruf. Ihr habt sicher von den Protesten gegen die Erhöhung der Studiengebühren in England gehört, Farbbeutel auf Charles und so, die Besetzung des Old School Room war eine verwandte Aktion. 
 Als wir ankamen, versorgten wir uns mit handgeschriebenen "I SUPPORT THE OCCUPATION"-Aufklebern (welche Wilhelm später einige unangenehme Fragen an der Flughafen-Sicherheitskontrolle nach Dublin einbringen sollten) und hörten kurz dem Meeting der Besetzer zu, das eigentlich schon vor Stunden hätte zu Ende sein sollen. Die schottischen Musiker aus London verspäteten sich aufgrund der verschneiten Wege nach Cambridge, doch gegen halb eins begann das lustige Treiben zu Fideln und Mandolinen. Chaotisch, witzig und teilweise schmerzhaft, in jedem Falle schweißtreibend, aber unbedingt empfehlenswert. Wilhelm, Haile und ich wirbelten uns durch die Dreads und Ohr-Tunnel, stampften auf vier und schrieen dabei Hey!.
 Nachdem ich zu Hause meine E-Mails gecheckt hatte (es war nämlich theoretisch möglich, dass das Ruder- wettrennen ausfallen würde, wenn der Fluß zugefroren sein würde) und gelesen, dass unser Team zur Hälfte ausgetauscht werden würde, da wir erst um zwei Uhr nachmittags (statt acht Uhr morgens) dran sein würden, hatte ich auch kein schlechtes Gewissen mehr, im Old School Room zu übernachten. Also haben wir drei mein Luftbett und ein paar Decken geschnappt und sind zurück zur Besetzung. Und alle schliefen schon. Und der Raum war komplett voll. No life at all in the house of dolls, no love lost. Also Kommando zurück und alle bei mir übernachtet.


 Aber erst noch Photos machen bis vier Uhr. Haile ist übrigens um sechs wieder aufgestanden um zum Protest um sieben zu gehen, welcher abgesagt werden würde...
 Das Rennen lief trotz der turbulenten und wirklich perfekten ersten Nacht mit Wille ziemlich gut. Obwohl unser Boot zu 50% aus Substituten bestand, welche seit 3 Wochen nicht mehr trainiert hatten und unsere ganzen Kommandos noch nie gehört hatten, obwohl Matthew in der Mitte des Rennens einen Krebs gefangen hat (Ruder wird vom Wasserdruck nach unten gezogen und der Ruderer hat keinerlei Kontrolle mehr über jenes), die ihn aus dem Sitz katapultierte und den Sitz aus den Schienen, und obwohl Dan und ich 100m vor dem Ziel dachten, das Rennen sei zu Ende, machten wir einen ordentlichen Platz in der Mitte des Feldes.


 Schon mal eine Sonnuntergangsstimmung um drei Uhr Nachmittags gesehen?

 Zur Belohnung für die respektable Ruderleistung gab's nach einer revitalisierenden Dusche Fish & Chips im Eagles mit Wille und Christian. All hand-battered deliciousness that get's the job done!



 Nach einem kurzen Abstecher zum H&M und T.K. Maxx (Wille hat sich sooo geile Stiefel gekauft - in Vikingergröße! Bilder folgen.) sind wir schon zum nächsten Happening, Essen mit Noelia, Sandra, Lola, Emma und Judith. Gegessen haben wir natürlich nichts mehr, aber dafür haben wir jede Cidre-Sorte dieser Welt probiert. 3 blokes - 3 bottles:














 Später ging es traditionsbewusst zu Noelia, Sangria-Abend! Oh Mann, das sind immer die besten Abende! So viel von dem professionell gemischten alkoholischen Erfrischungsgetränk landet auf ihrem Teppichboden und ständig sind Leute am Wischen. Diesmal waren wir so viele, dass manche aus Schüsseln tranken und andere aus Platzgründen unter dem Bett Platz nahmen. Hier zwei von Noelias (bearbeiteten) facebook-Bildern:



 In dieser Nacht gelangten wir schließlich ins Cindie's, Weihnachtsparty zu David Guetta und Rihanna mit Rentierohren und Raver-Leuchtstäbchen. Chips with Cheese um halb vier. Am Trailer of Death.

  Es ist einfach jetzt schon der längste Eintrag und wir sind noch nicht mal in Dublin...Freitag morgens aus dem Bett gekrochen, der ambitionierte Ruderplan wollte eingehalten werden. Ergo-Verabredung mit Christian um 1100am. Welche er per Sms abgesagt hatte, was ich aber nicht wusste, da mein Posteingang voll war...Pain is Pleasure...Haile kam zufällig genau um die Zeit spontan vorbei, die Proteste waren ja um die Ecke. Dieses Photo:


  Erweckt jetzt den Eindruck von Ruder-Hardcoreness, aber nach dem mäßigen Training ging es sofort zurück ins Bett. Aufgestanden sind wir für verbranntes Rührei-Frühstück aus meiner Hand und Panik-Shopping für das Boat Club Formal am Abend. Egal welche Boutique wir betraten, sie war kurz davor zu schließen und wir kamen mit Extrawünschen, wie Sakkos für Schweden mit extrem langen Extremitäten. Aber schmal geschnitten. Und Hemden! Und eine schwarze Seidenfliege für mich. Aber nun kenne ich die Adressen in Cambridge. Falls jemand jemals ein feines Gewand sucht, englischer Sartorialism wartet auf Sie und Ihn!

 Abends also einander die Manschettenknöpfe angelegt und Krawatten gebunden, ich mit meiner Fliege gekämpft, youtube half, es musste ja eine zum Selberbinden sein, Stil und so...der Stress hat sich gelohnt, wir brauchten uns an diesem Abend nicht zu verstecken. Wilhelm wurde auch Dank seiner (für Normalsterbliche als groß empfundenen) Kamera für den Photographen der Veranstaltung gehalten, was uns wunderschöne Gruppenphotos wie dieses einbrachte:

 Und nein: ich bin nicht so klein, die sind einfach so groß! Bringen uns aber gute Hebelwirkung auf's Wasser :)

Das Dinner war großartig, wobei ich es mir orgiastischer vorgestellt hatte. Der Dean jedoch hat so ziemlich alles, was Spaß macht, verboten, weshalb es sehr zivilisiert zuging. Aber gutes Essen, gute Gespräche (ich saß zwischen einer Franzosin und einer Halb-Armenierin-Halb-Schweizerin) und rührende Ansprachen von unseren Coaches et al.




 Nach dem Dinner ging es noch zum St Catherine's Christmas Bop und nach jenem zu Eddie's Erasmus-Hausparty. Kaum überraschend, dass wir nicht mehr zum Schlafen gekommen waren, bevor wir unsere sieben Sachen packten (Wilheim nur seine sechs Sachen, für mehr war kein Platz im Handgepäck) und zum Bahnhof rannten. Immer auf den letzten Drücker :D Wir brachten Christine noch eben das Luftbett (aufgeblasen - für Luft ablassen war keine Zeit) vorbei, da sie multiple Gäste erwartete und ab da rannten wir nur noch. Auf halbem Wege trafen wir unsere Reisegefährtinnen, Noelia und Sandra, was mich zum Irrglauben verleitete, wir seien doch gar nicht so spät dran, aber nein, es hieß bloß, dass sie mit ihren Trollis auch anfangen mussten zu laufen. Wir schafften es wirklich gerade noch, daher hieß es erst im Zug nach Stansted aufatmen...und Muffins.

Ich glaube ich habe mir Aufatmen und Muffins jetzt auch verdient, Dublin dann wirklich erst beim nächsten Mal...es tut aber gut, euch wieder zu schreiben!

Mehr Kunst!